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PRESSEMITTEILUNG des VKWH

Zur Teichtragödie in Neukirchen-Seigertshausen – Ehemaliger Bürgermeister wird freigesprochen

Der VKWH, dem an die 400 ehemalige und aktuelle hessische Bürgermeisterinnen und Bürgermeister angehören, begrüßt ausdrücklich die gestern getroffene Entscheidung des Oberlandesgerichtes Frankfurt am Main, mit dem der ehemalige Bürgermeister der Stadt Neukirchen, Klemens Olbrich, vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung rechtskräftig freigesprochen wurde. Für den Verbandsgeschäftsführer Karl-Christian Schelzke ist dies eine kluge und realitätsbezogene Entscheidung.

Seit über drei Jahren sind Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, nicht nur in Hessen, der Ungewissheit ausgesetzt, ob sie sich strafbar machen, wenn sie nicht alle offenen Gewässer mit einem Zaun versehen und es zu einem Ertrinkungsunfall kommt. Bürgermeister a.D. Olbrich war in erster und zweiter Instanz zu hohen Gelstrafen wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden. Sowohl das Amtsgericht Schwalmstadt als auch des Landgericht Marburg warfen ihm vor, dass drei Kinder in einem Teich ertrunken sind, weil er das Gewässer nicht hat absichern lassen.

Bereits im Vorverfahren hatte der damalige Verteidiger darauf hingewiesen, dass es zumindest fraglich sein dürfte, ob ein 1,25 Meter hoher Zaun, wie von der Staatsanwaltschaft gefordert, die zu Tode gekommenen Kinder davon abgehalten hätte, zu versuchen, einen im Wasser liegenden Kescher zu bergen. Das OLG stellt so denn auch in seiner Urteilbegründung fest, es sei nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellbar, dass die gebotenen Schilder und ein niedriger Zaun den Tod der Kinder verhindert hätten.

Die Frage der Verantwortlichkeit stand in den Gerichtsverfahren im Mittelpunkt. Aber nicht für jedes schwere Unglück muss es Verantwortliche geben. Die renommierte Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago, Martha Nussbaum, weist in ihrem Buch „Königreich der Angst“ zu Recht auf folgende menschliche Verhaltensweisen hin: „Wir nehmen Schuldzuweisungen vor, auch wenn keine Schuld vorliegt. … Zu denken, an jedem schlimmen Ereignis sei irgendjemand schuld, … befriedigt unser Ego … Hierdurch ergibt sich ein Gefühl von Kontrolle statt Hilflosigkeit.“