Bei der VKWH-Mitgliederversammlung wird das Verhältnis von Schutz der Demokratie und gebotener Neutralität im Amt des Bürgermeisters beleuchtet.

Am 5. Juni 2025 fand im Bürgerhaus in Lich mit dem hessischen Innenminister Prof. Dr. Roman Poseck eine außerordentliche Mitgliederversammlung des Verbands der kommunalen Wahlbeamten in Hessen statt.
Vor dem Hintergrund aktueller Umfrageergebnisse sei zu befürchten, dass rechtsextreme Kräfte bei den am 15. März 2026 in Hessen stattfindenden Kommunalwahlen sehr viele Stimmen bekommen werden. „Für die lokale Demokratie als Basis unseres freiheitlich demokratischen Staates besteht mithin eine ernst zu nehmende Gefahr.“ Karl-Christian Schelzke machte vor 130 Bürgermeisterinnen, Bürgermeistern und kommunalen Wahlbeamten auf die Brisanz der gegenwärtigen Situation in der Kommunalpolitik aufmerksam, die zu der Tagung in Lich geführt habe.
Bürgermeister Julien Neubert, Lich
Innenminister Prof. Dr. Roman Poseck
Geschäftsführer des VKWH,
Karl-Christian Schelzke, Mühlheim
Wegen dieser zu befürchtenden Stärkung demokratiefeindlicher Kräfte wurde erörtert, wie auf die Menschen vor Ort zugegangen werden kann, damit die weit verbreitete Unzufriedenheit und Unsicherheit nicht in ein Verhalten gegen Demokratie und gesellschaftliche Werte auslösen.
Bürgermeisterinnen und Bürgermeister hätten einen direkten und in der Regel auch persönlichen Zugang zu den Einwohnerinnen und Einwohnern ihrer Gemeinde. Als Protagonisten der lokalen Demokratie seien sie erste Ansprechpartner gegenüber staatlichem Handeln in der Kommune.


Die Veranstaltung in Lich zeigte eindrucksvoll, wie die Rathausverantwortlichen von Folgen der Bürokratie, langen Planungs- und Umsetzungszeiten und sinkenden kommunalen Einnahmen konfrontiert sind und von den Menschen für Probleme verantwortlich gemacht werden, die oft nicht im Zuständigkeitsbereich der Bürgermeister/innen zugehörig sind. Wachsende Aufgaben, die von EU, Bund und Land den Kommunen gestellt werden, stehen immer mehr wachsenden Ausgaben gegenüber, die nicht gedeckt seien.
Bürgermeisterin Patricia Ortmann, Biebertal, und der gastgebende Bürgermeister Dr. Julien Neubert, Lich, zeigten in ihren Statements eindrücklich, wie ihre Handlungsfähigkeit immer mehr eingeschränkt wird.
Unzufriedenheit in der Bevölkerung und eine wachsende Verrohung der Debattenkultur begünstigen das Auftreten von extremen politischen Parteien. In der Auseinandersetzung mit demokratiekritischen Bürgerinnen und Bürger sind für die Wahlbeamten jedoch gewisse Einschränkungen und Fallstricke zu beachten. Bürgermeister unterliegen einerseits dem Gebot parteipolitischer Neutralität. Andererseits sind Bürgermeisterinnen und Bürgermeister an ihren Diensteid gebunden. Demzufolge haben sie das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und die Verfassung des Landes Hessen zu wahren mithin zu schützen und zu fördern.

Vor dem Hintergrund der wehrhaften Demokratie ergibt sich somit ein Spannungsfeld. Innenminister Prof. Dr. Poseck ging in seinem Vortrag auf die besondere Bedeutung der lokalen Demokratie ein und würdigte die Arbeit der kommunalen Wahlbeamten. Es werde „viel geleistet und gemeistert!“ Die Handlungsfähigkeit der Kommunen sei elementar wichtig. Und mit Gesetzesvorhaben wie der Kommunalrechtsreform und dem kommunalen Flexibilisierungsgesetz versuche die Landesregierung die Gemeinden zu entlasten und Standards abzubauen.
Was demokratiefeindliche Tendenzen betrifft, warnte der Minister vor einer Entwicklung vom Rechtspopulismus zu Rechtsextremismus bis hin zum Rechtsterrorismus. Bürgermeister seien trotz des Neutralitätsgebotes keine „politischen Eunuchen“.
Prof. Dr. Poseck ging wie andere Referenten in Lich auf die Bedeutung des Urteils des Verfassungsgerichtshof von Rheinland-Pfalz ein. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung sei ein Verfassungsgut, dass es im Zweifel erlaube, die parteipolitische Neutralität hintenanzustellen. Im Rahmen ihres Schutzauftrages sei auch eine Landesregierung befugt, „an der öffentlichen Auseinandersetzung darüber teilzunehmen, ob Ziele und Verhalten einer Partei oder deren Mitglieder als verfassungsfeindlich einzuordnen sind“. Dazu gehöre auch, Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen und Empfehlungen oder Warnungen auszusprechen.


Was geschieht aber, wenn aus Demokratiefeindlichkeit verbale und tätliche Angriffe entstehen? Dr. Philipp Georgy, Referatsleiter nahm Stellung zur Frage, ob man sich als Kommunalpolitiker alles gefallen lassen muss. Dr. Georgy machte auf die Folgen des sogenannten Künast-Urteils aufmerksam. Das Kammergericht in Berlin hatte klargestellt: Die hasserfüllten Reaktionen auf einen Facebook-Post seien nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. War vorher das Gut der Meinungsfreiheit in den richterlichen Entscheidung in besonderer Bedeutung, wurde durch das Künast-Urteil klar, dass Amtsträger und Politiker einen besonderen Schutz erfahren müssen.

Eric Engels, Vorsitzender des Verbandes der kommunalen Wahlbeamten bedankte sich in seinem Schlusswort für die außergewöhnlich gute und lebhafte Beteiligung der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister an der Veranstaltung. Wahlbeamtinnen und Wahlbeamten den Dialog mit ihren Kolleginnen, Kollegen und der Landespolitik benötigen. Am Thema des Demokratieschutzes würde der Verband auch in Hinblick auf die Kommunalwahlen im kommenden Jahr „dranbleiben“.

Pressespiegel
