Finanzielle Solidität als Governance-Thema
Dr. Ulrich Keilmann
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Dr. Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt.
In Zeiten knapper öffentlicher Kassen und wachsender Erwartungen an die Leistungsfähigkeit kommunaler Haushalte ist finanzielle Solidität mehr als eine Rechenaufgabe – sie ist ein Governance-Thema. Drei aktuelle Prüfungsfelder zeigen exemplarisch, wo Strukturen nachgebessert werden müssen: Jahresabschlüsse müssen vollständig und fristgerecht vorgelegt werden und Investitionszuweisungen in der Gebührenkalkulation sind richtig zu buchen.
1. Jahresabschlüsse – das unterschätzte Fundament der Steuerung
Jahresabschlüsse fristgerecht zu erstellen, ist für viele Kommunen eine enorme Herausforderung. Gerade kleinere Gemeinden kämpfen mit Personalmangel, Fluktuation und hoher Arbeitsbelastung. Der Jahresabschluss ist aber keine isolierte Pflicht, sondern Teil eines Steuerungskreislaufs, der Haushaltsaufstellung, Haushaltsvollzug und Rechnungslegung umfasst. Verzögerungen in einem Bereich wirken sich auf das ganze System aus – mit Risiken für Planungssicherheit, Aufsicht und Fördermittel. Hier gibt es zwei wirksame Lösungsansätze:
- Allein mit klaren Richtlinien konnten fünf von sechs Kommunen in der 234. Vergleichenden Prüfung ihre Jahresabschlüsse fristgerecht erstellen und Hasselroth wiederum zeigte in der 244. Vergleichenden Prüfung, wie Monatsabschlüsse zu gleichmäßiger Aufgabenverteilung und fristgerechten Abschlüssen führen.
- Die digitale interkommunale Zusammenarbeit mit Usingen und Neu-Anspach ermöglichte es Glashütten, nahezu fristgerechte Abschlüsse aufzustellen, weil gemeinsame Software, Erfahrungsaustausch und Arbeitsteilung sinnvoll genutzt wurden.
2. Aufstellungsbeschlüsse ohne Substanz
Noch gravierender ist, wenn Haushaltsjahre beschlossen werden, ohne dass prüffähige Jahresabschlüsse vorliegen. Fünf Kommunen der 242. Vergleichenden Prüfung handelten aber genau so. Ohne belastbare Rechenschaftsberichte oder Anhänge wurde gleichwohl der Haushalt genehmigt. Der Fall Löhnberg zeigt, wohin das führen kann. Bereits im Kommunalbericht 2019 (210. Vergleichenden Prüfungen) hatten wir festgestellt, dass trotz unvollständiger Jahresabschlüsse Haushaltsgenehmigungen erteilt wurden.
Diese Praxis unterläuft die Steuerungsfunktion der Doppik. Vielmehr sind verbindliche interne Richtlinien sowie eine engere Verknüpfung der Haushaltssteuerung mit der Rechnungslegung notwendig.
3. Gebührenkalkulation mit Landesmitteln?
Nach KAG und GemHVO dürfen Erträge aus der Auflösung von Sonderposten nur gebührenmindernd berücksichtigt werden, wenn sie beitragsfinanzierte Investitionen betreffen. Investitionszuweisungen des Landes werden nicht berücksichtigt. Dennoch bezogen acht Kommunen fast eine Million Euro aus Landesmitteln zu Unrecht in ihre Gebührenkalkulation ein. Im Ergebnis ist das eine versteckte Quersubventionierung mit allgemeinen Deckungsmitteln – rechtlich bedenklich.
Fazit:
Steuerung braucht verlässliche Grundlagen. Ein Haushalt ohne vollständige oder fristgerechte Abschlüsse ist wie ein Gebäude ohne Fundament. Und eine Gebührenkalkulation, die Mittel unrechtmäßig umverteilt, untergräbt die Legitimität kommunalen Handelns. Unsere positiven Beispiele zeigen: Es geht auch anders.
Lesen Sie mehr zu diesem Thema im Kommunalbericht 2024, Hessischer Landtag, Drucksache 21/1148 vom 11. Oktober 2024, S. 77 f. und 92 f., im Kommunalbericht 2023, Hessischer Landtag, Drucksache 20/11686 vom 21. November 2023, S. 97 und im Kommunalbericht 2019, Hessischer Landtag, Drucksache 20/1309 vom 8. November 2019, S. 129 ff. Die vollständigen Berichte sind kostenfrei unter rechnungshof.hessen.de abrufbar.
