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Wenn der Staatsanwalt ins Rathaus kommt - ein Zwischenruf!

Aufgrund der in den letzten Jahren gewonnenen Erfahrungen und Eindrücke drängt sich immer mehr der Eindruck auf, dass hessische Staatsanwälte und Richter über nicht hinreichende kommunalverfassungsrechtlich Kenntnisse verfügen. Sobald ein Verdacht aufkommt, in der Gemeinde- beziehungsweise Stadtverwaltung sei möglicherweise ein Straftatbestand verwirklicht worden, wird in der Regel ohne weitere Vorprüfungen gegen den Bürgermeister oder gegen die Bürgermeisterin ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet.

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© Rainer Sturm / pixelio.de

Gemäß § 70 Absatz 1 Satz 2 Hessische Gemeindeordnung leiten und beaufsichtigen diese den Geschäftsgang der gesamten Verwaltung und sorgen für den geregelten Ablauf der Verwaltungsgeschäfte. Hieraus wird dann anscheinend mehr oder weniger ungeprüft geschlossen, dass Bürgermeister und Bürgermeisterinnen letztlich für alles verantwortlich zu machen sind.

Einem bei Verfolgungsbehörden anscheinend anzutreffenden Vorurteil zufolge, muss man in Rathäusern grundsätzlich mit Vertuschungsaktionen rechnen. Deshalb wird sofort ein Durchsuchungsbeschluss beantragt und regelmäßig auch richterlich erteilt. Danach werden in der Regel nicht nur die Amts- sondern auch die Privaträume durchsucht. Das geschieht auch bei vergleichsweise minderschweren Delikten.

Ein Beispiel ist der tatsächlich erfolgte Vorwurf der Störung der Totenruhe. Hier war aufgrund eines Versehens eine Grabstelle zwei Jahre vor Ablauf der dreißigjährigen Frist abgeräumt und der Grabstein entsorgt wurden. Letzteres führte zum Vorwurf des Diebstahls. Das Verfahren wurde erst nach einigen Monaten gemäß § 170 Absatz 2 StPO eingestellt.

Ein weiteres Beispiel: Da ein geblitzter Autofahrer ungeprüft die Behauptung aufstellte, die betreffenden Daten würden von privaten Dritten und nicht von hoheitlich handelnden Personen ausgewertet, kam es zu einer Durchsuchung, da es sich infolge eines Urteils des Oberlandesgerichtes Frankfurt am Main, um eine Rechtsbeugung handeln könnte. Der Vorwurf konnte eindeutig entkräftet werden, das Verfahren wurde ebenfalls nach geraumer Zeit gemäß § 170 Absatz 2 StPO eingestellt. Aber auch hier hätte statt der Durchsuchung ein Anruf, wie auch im vorgenannten Fall, genügt, um die benötigten Unterlagen ausgehändigt zu bekommen.

In zwei Fällen kam es zu Durchsuchungen, weil der Verdacht aufkam, die von den zuständigen kommunalen Gremien beschlossenen verfahrensbeendenden beziehungsweise verhindernden Vergleiche hätten zu einem Vermögensnachteil geführt. Dem Bürgermeister und der Bürgermeisterin wurde zur Last gelegt, dass sie hierdurch dem kommunalen Vermögen einen Schaden zugefügt haben, auch weil sie der Entscheidung der Gemeindevertretung nicht widersprochen haben. Dies erfülle den Tatbestand der Untreue.

Es steht außer Frage, dass die Staatsanwaltschaft, sobald sie von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erlangt, Ermittlungen einzuleiten hat. Wer wüsste das besser als der Verfasser, der jahrelang als Frankfurter Staatsanwalt tätig war.

Gleichwohl muss man im Rahmen der Ermittlungen stets berücksichtigen, dass in Hessen, aufgrund der hier geltenden unechten Magistratsverfassung, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, sofern es sich nicht um laufende Verwaltungsgeschäfte handelt, nicht alleine entscheiden.

Bevor beim zuständigen Amtsgericht ein Durchsuchungsantrag gestellt wird, sollte zunächst versucht werden, die in Betracht kommenden Beweismittel vorab einvernehmlich zu erhalten. Dies kann natürlich auch während einer laufenden Durchsuchung geschehen.

In nahezu allen Fällen wird aber eine laufende Durchsuchung der Öffentlichkeit nicht verborgen bleiben, zumal davon auszugehen ist, dass hierüber in der örtlichen Presse und vor allem auch in den sozialen Netzwerken alsbald berichtet wird. Etwa: „Durchsuchung im Rathaus? Da muss aber wohl Schwerkriminelles passiert sein. Wahrscheinlich geht es um hohe veruntreute Geldbeträge.“ Wird über die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens dagegen in örtlichen Zeitung berichtet, dann dürfte dies an exponierter Stelle geschehen. Über die in der Regel mehrere Monate später erfolgende Einstellung wird dann – so meine Erfahrung - an einer weniger prominenten Stelle berichtet. Es bleibt letztlich immer etwas hängen und das Vertrauen in die Rathausführung wird mit Sicherheit, trotz erfolgter Einstellung, nicht unerheblich beeinträchtigt sein.

Letztlich bleibt dem Verband der kommunalen Wahlbeamten in Hessen nur die an die Staatsanwaltschaften und an die über Durchsuchungsanträge entscheidenden Amtsgerichte gerichtete Bitte, bei der Einleitung entsprechender Ermittlungsverfahren zum einen die Besonderheiten der unechten Magistratsverfassung zu berücksichtigen und zum anderen mit größtmöglicher Sensibilität und unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit zu prüfen, ob Durchsuchungen der Diensträume wirklich erforderlich sind. In nahezu allen Fällen dürften die entsprechenden Unterlagen freiwillig herausgegeben werden.