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Teichunglück in Neukirchen-Seigertshausen - Ehemaliger Bürgermeister wird freigesprochen

Der ehemalige Bürgermeister von Neukirchen, Klemens Olbrich, wurde heute vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung rechtskräftig freigesprochen. Zuvor hatte ihn das Amtsgericht Schwalmstadt in erster Instanz und das Landgericht Marburg in der Berufungsinstanz schuldig gesprochen.

Ihm wurde vorgeworfen, an einem im Ortsteil Seigertshausen gelegenen Teich keine Sicherungsmaßnahmen veranlasst zu haben, infolgedessen seien dort drei Kinder ertrunken.Das Gericht weist in seiner Urteilbegründung unter anderem darauf hin, dass nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellbar sei, „dass die gebotenen Schilder und ein niedriger Zaun den Tod der Kinder verhindert hätten. Dieser hohe Maßstab werde aber vom BGH in Strafsachen zugrunde gelegt. Allein eine Verminderung der Gefahren bzw. eine Risikominimierung begründe nicht den Vorwurf der fahrlässigen Tötung. Da keine ergänzenden Feststellungen zur Kausalität durch das Landgericht möglich erscheinen, sei das Verfahren auch nicht an das Landgericht zurückzuverweisen, sondern der Angeklagte unmittelbar freizusprechen."

Der Unterzeichner hat seinerzeit Bürgermeister Olbrich anwaltlich vertreten und in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft Marburg, mit dem eine Einstellung des Verfahrens beantragt wurde, ausgeführt: „Es dürfte zumindest fraglich sein, ob ein 1,25 Meter hoher Zaun die zu Tode gekommenen Kinder davon abgehalten hätte, zu versuchen, den im Wasser liegenden Kescher zu bergen.“

Die zuständige Oberstaatsanwältin war im Gegensatz zum Oberlandesgericht anderer Auffassung und hatte Anklage erhoben.

In diesem Zusammenhang sei auch auf Folgendes hingewiesen: Die Frage nach Verantwortlichen, die für ein schweres Unglück Schuld tragen, ist verständlich und wir alle kennen solche Gedanken aus eigenem Erleben, auch wenn wir vielleicht ahnen, dass es sich um ein Geschehen handelt, das sich menschlicher Verantwortung entzieht.

Die Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago, Martha Nussbaum, Preisträgerin des renommierten Berggruen-Preises, weist in ihrem Buch „Königreich der Angst“ auf folgende menschliche Verhaltensweisen hin: „Wir nehmen Schuldzuweisungen vor, auch wenn keine Schuld vorliegt. … Zu denken, an jedem schlimmen Ereignis sei irgendjemand schuld, … befriedigt unser Ego … Hierdurch ergibt sich ein Gefühl von Kontrolle statt Hilflosigkeit.“

Das jetzige Urteil dürfte vor allem für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister nicht nur eine Entastung sein. Das Urteil bedeutet auch, dass viele traditionell offene Gewässer nicht zwangsweise einzuzäunen sind.

Karl-Christian Schelzke
Geschäftsführer