Depesche

Nr. 1 2021

Notizen für Wahlbeamtinnen und -beamte
Kuratiert von Karl-Christian Schelzke
- Stichwort: Lokale Demokratie
- Lesenswert: Vom Ende des Gemeinwohls
- Klartext: Dietrich Bonhoeffer „Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit“

Stichwort: Lokale Demokratie

Im Vorfeld der hessischen Kommunalwahlen werden wir immer wieder auf die besondere Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung für unsere Demokratie hingewiesen. Siehe den Hinweis auf den Weckruf des Plädoyers für ein solidarisches Zusammenleben. Insbesondere angesichts des immer rauer werdenden Umgang mit den politischen Mitbewerbern ist unerlässlich, öffentlich auf die Notwendigkeit eines respektvollen Umgangs hinzuweisen, denn die lokale Demokratie ist die Basis unseres demokratischen Staates. Wenn es dort nicht mehr funktioniert, dann ist das Ganze in Gefahr.

Dies kommt in einer 1952 dem Hessischen Landtag zugeleiteten amtlichen Begründung für eine Reform der Hessischen Gemeindeordnung ganz klar zum Ausdruck. Hier ein leicht gekürzter Auszug: „Keine öffentlich-rechtliche Organisation“ wie die Gemeinden „steht sonst dem Bürger so nahe, keine ist für sein Wohlbefinden im täglichen Leben so entscheidend. Aber auch die konkreten Probleme an der Staatsführung sind fast ohne Ausnahme im Keime in den Gemeinden vorhanden. Darum vollzieht sich auch die politische Willensbildung des gesamten Volkes vornehmlich in den Gemeinden. Hier werden nicht nur die Redenschlachten der Bürger untereinander ausgetragen, hier sprechen nicht bloß die Parteien unmittelbar den Staatsbürger mit gutem oder schlechtem Einfluss an – hier sammelt überhaupt der Bürger die Eindrücke und Erfahrungen, nach denen er den ganzen Staat beurteilt“.
 

Lesenswert: Vom Ende des Gemeinwohls

Klappentext zu Michael Sandels Buch, Verlag S. Fischer, „Vom Ende des Gemeinwohls“:

„Weltweit sind die Populisten auf dem Vormarsch - Michael J. Sandel erklärt, warum gerade in Zeiten des Corona-Virus wird erschreckend deutlich, dass das Gemeinwohl in unseren Gesellschaften in den letzten Jahren an Bedeutsamkeit verloren hat. Die Demokratien stehen auf dem Prüfstand, wir sind Zeugen einer populistischen Revolte. Die Wahl Trumps, der Brexit, der Erfolg der AfD - das sind die wütenden Antworten auf die wachsende Ungleichheit in der Gesellschaft. Der Moralphilosoph Michael J. Sandel sieht die Ursache dafür in der Tyrannei der Leistungsgesellschaft. Wer hat in unserer Gesellschaft Erfolg - und warum? Unter dem gesellschaftlich unumstrittenen Mantra »Wer hart arbeitet, kann alles erreichen« haben wir gelernt zu glauben, dass jeder genau das hat, was er verdient. Die Profiteure und Nutznießer dieses Systems, das Erfolg auf Leistung und Talent zurückführt, gehen darum davon aus, dass sie ihren Erfolg verdienen, dass er ihnen zusteht, eben, weil sie sich angestrengt haben. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass diejenigen, die am System scheitern, selbst schuld sind. Die Hybris der Gewinner ebenso wie die Demütigung der Verlierer befeuern den populistischen Protest, dessen Zeugen wir aktuell weltweit sind. Im Kern zielt der Unmut gegenüber den Eliten auf eine Kritik an der Tyrannei der Leistungsgesellschaft, und diese Kritik ist berechtigt. Seit Jahrzehnten nimmt die Ungleichheit in den demokratischen Gesellschaften zu, Verlierer und Gewinner des Systems entfernen sich sowohl auf sozialer als auch auf finanzieller Ebene immer weiter voneinander. Statt an einer trennenden Ethik des Erfolgs festzuhalten, müssen wir an einer Politik des Gemeinwohls und der Gerechtigkeit arbeiten, die allen Mitgliedern der Gesellschaft zugutekommt.“

Auch wenn die Feststellungen und Bewertung die amerikanische Gesellschaft, insbesondere während der Trump-Präsidentschaft betreffen, so dürfte doch Einiges auch auf unser Land zutreffen. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang ein Video mit Michael Sandel und Olaf Scholz siehe
https://www.youtube.com/watch?v=fz297p5Qw18


Klartext: Dietrich Bonhoeffer „Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit“

„Gegen das Böse lässt sich protestieren, es lässt sich bloßstellen, es lässt sich notfalls mit Gewalt verhindern. Das Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurücklässt. Gegen die Dummheit sind wir wehrlos. Weder mit Protesten noch mit Gewalt lässt sich hier etwas ausrichten; Gründe verfangen nicht; Tatsachen, die dem eigenen Vorurteil widersprechen, brauchen einfach nicht geglaubt zu werden – in solchen Fällen wird der Dumme sogar kritisch, und wenn sie unausweichlich sind, können sie einfach als nichtssagende Einzelfälle beiseitegeschoben werden. Dabei ist der Dumme im Unterschied zum Bösen restlos mit sich selbst zufrieden, ja, er wird sogar gefährlich, indem er leicht gereizt zum Angriff übergeht. Daher ist dem Dummen gegenüber mehr Vorsicht geboten als gegenüber dem Bösen. Bei genauerem Zusehen zeigt sich, dass jede starke äußere Machtentfaltung, sei sie politischer oder religiöser Art, einen großen Teil der Menschen mit Dummheit schlägt. Das Wort der Bibel, dass die Furcht Gottes der Anfang der Weisheit sei (Sprüche 1, 7), sagt, dass die innere Befreiung des Menschen zum verantwortlichen Leben vor Gott die einzige wirkliche Überwindung der Dummheit ist.“

 

Mit herzlichen Grüßen

Ihr Karl-Christian Schelzke

 

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