Depesche

Nr. 9 2021

Notizen für Wahlbeamtinnen und -beamte
Kuratiert von Karl-Christian Schelzke

Erhöhung der Dienstaufwandsentschädigung
- Erste hessische Kommunalwahlen nach dem 2. Weltkrieg
- Ist die nur noch in Hessen und in Bremerhaven geltende unechte Magistratsverfassung noch zeitgemäß?
- Zwei bemerkenswerte Zitate und eine klare Aussage, die vielleicht weiterhelfen können
- Buchempfehlungen

Nach einer etwas längeren, durch Corona und Umzug bedingten Pause, kuratiert Karl-Christian Schelzke die neue Ausgabe der Depesche, nunmehr Nummer 9. 

  1. Erhöhung der Dienstaufwandsentschädigung

Am 16. April 2021 hat der VKWH in einer Stellungnahme zur Evaluation der Verordnung über die Besoldung, Dienstaufwandsentschädigung und Reisekostenpauschale der hauptamtlichen kommunalen Wahlbeamtinnen und Wahlbeamten auf Zeit (KomBesDAV), unter Bezugnahme auf die seit 2000 gestiegenen Verbraucherpreise, eine Erhöhung der Dienstaufwandsentschädigung um 30 Prozent vorgeschlagen. Nunmehr konnte in Erfahrung gebracht werden, dass seitens des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport unser Vorschlag aufgenommen wurde und eine 25prozentige Erhöhung beabsichtigt ist. 

  1. Erste hessische Kommunalwahlen nach dem 2. Weltkrieg

Vor 75 Jahren fanden Anfang des Jahres 1946 in Hessen die ersten Kommunalwahlen nach dem 2. Weltkrieg statt. Die Stadt Mühlheim am Main hat aus diesem Anlass am 26. Oktober 2021 eine Feierstunde ausgerichtet, bei der Karl-Christian Schelzke einen Festvortrag halten durfte. Bevor er auf die historischen Bezüge zu Mühlheim am Main zu sprechen kam, hat er einige grundsätzliche Anmerkungen zur kommunalen Selbstverwaltung vorgetragen. Diese können auszugsweise auf unserer Homepage unter News nachgelesen werden. 

    3. Ist die nur noch in Hessen und in Bremerhaven geltende unechte Magistratsverfassung noch zeitgemäß?

Auch wenn hinsichtlich der hessischen Magistratsverfassung auf mehr als 210 Jahre zurückgeblickt werden kann, dürfte es nicht verkehrt oder gar verwerflich sein, in eine öffentliche Diskussion einzutreten, ob die in Hessen geltende, sogenannte unechte Magistratsverfassung noch zeitgemäß ist, will heißen, ob sie angesichts der in den kommunalen Entscheidungsgremien vermehrt vertretenen Fraktionen noch zeitnahe Entscheidungsprozesse ermöglicht.

Ulrich Dreßler, Leitender Ministerialrat im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport, hat sich in der Publikation der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung mit dem Titel „Die Spielregeln der Demokratie in den hessischen Gemeinden, 210 Jahre Magistratsverfassung“ intensiv und auch kenntnisreich mit der nur noch in Hessen und in Bremerhaven geltenden Magistratsverfassung befasst und sich als deren glühender Befürworter erwiesen. Die 20 Seiten umfassende Broschüre kann am einfachsten über Google: „Dreßler Blickpunkte Nr. 11“ abgerufen werden und sollte als Ausgangspunkt für eine Diskussion unbedingt genutzt werden.

Dies gilt insbesondere für seine etwas burschikose Feststellung auf Seite 17: „Kritiker der Magistratsverfassung, die über keine Detailkenntnisse und keine Praxiserfahrung verfügen, neigen daher leicht zu dem Schluss, die Magistratsverfassung sei schwerfällig und mit der Urwahl des Bürgermeisters kaum zu vereinbaren, weil die Erwartungen der Bürgerschaft an einen von ihr direkt gewählten Bürgermeister wegen dessen Machtlosigkeit zwangsläufig enttäuscht werden müssten.“

Wer sonst, wenn nicht die kommunalen Wahlbeamten und –beamtinnen in Hessen verfügen über Detailkenntnisse und Praxiserfahrung. Von daher sollten sich diese auch entsprechend zu Wort melden.

Der Verband der Hessischen Kommunalen Wahlbeamten hat demgegenüber schon seit Jahrzehnten immer wieder auf die Vorzüge der baden-württembergischen Bürgermeisterverfassung hingewiesen und dies nicht erst seit Einführung der Direktwahlen der hessischen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister

Es ist ja nicht ausgeschlossen, dass sich am Ende die in Hessen und Bremerhaven geltende Kommunalverfassung als die effektivere herausstellen wird. Der VKWH-Vorstand wird darüber zu entscheiden haben, ob und wie die nächste Mitgliederversammlung dieses Thema in die Öffentlichkeit tragen soll. 

  1. Zwei bemerkenswerte Zitate und eine klare Aussage, die vielleicht weiterhelfen können

 „Eines Oberbürgermeisters Leben währet 12 Jahre, und wenn es köstlich war, dann war es Harmonie mit Stadtverordneten, Wirtschaftsverbänden und Presse.“ (Variation des bekannten Bibelwortes durch einen Düsseldorfer Beigeordneten im Jahre 1928).

„Wer nicht tun kann, was die Leute verdrießt, gibt keinen guten Schulzen ab.“ (Aus dem Erfahrungsbericht einer hessischen Kommunalaufsichtsbehörde).

Zu dem letztgenannten Zitat passt eine Aussage von Jasper von Altenbockum, der in der FAZ vom 20.11.2021 unter dem Titel „Republik ohne Mut und Willen“ folgendes ausführt: „Was in Bund und Ländern fehlt, sind die Fähigkeit und der Wille Führungsstärke zu zeigen. Der softe Politiker, der es sich mit niemandem, schon gar nicht mit einer Minderheit verscherzen will, ist stattdessen der gefragte Typ.“ Also: Gute Schulzen an die Macht! 

  1. Buchempfehlungen

Dieses Mal schlagen wir etwas zur Entspannung und zum Schmunzeln vor. 

Zunächst ein Kriminalroman von Thea Fischer mit dem Titel „Bürgermeister Hirsch geht baden“, Taschenbuch, Aufbauverlag. Ein Bürgermeister liegt im Sarg und grantelt. Lokalredakteurin Petra Rosenberger soll in einem alten Vermisstenfall recherchieren: Vor Jahren ist Adi Schmidt, ein Jugendfreund des amtierenden Bürgermeisters, spurlos verschwunden. Petras Mutter aus der Seniorenresidenz will ihr bei den Nachforschungen helfen.

Der Titel der zweiten Empfehlung lautet „Menschen im Rathaus“, geschrieben vom ehemaligen Geschäftsführer des Städtetags Rheinland-Pfalz, Prof. Gunnar Schwarting, Kommunal- und Schulbuch-Verlag.

Niemand, der hier beschrieben wird, existiert wirklich; und doch: Die meisten Eigenheiten – seien sie nun positiv oder auch weniger angenehm – hat der Autor selbst erlebt und gesehen. Er hat sie nur kräftig durcheinandergeschüttelt und durch eigene Erfindungen ergänzt, um neue Persönlichkeiten entstehen zu lassen. Selbstverständlich sind nicht alle Beschäftigten dieser Verwaltung in dem kleinen Buch vereint – das würde viel zu umfangreich und möglicherweise irgendwann auch langweilig werden. Aber der kleine Ausschnitt aus einem großen Kreis mag einen Eindruck davon geben, wie es in einem wirklichen Rathaus sein kann.

 

Der Verband der kommunalen Wahlbeamten in Hessen wünscht allen Leserinnen und Lesern und allen Mitgliedern ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein erfolgreiches, hoffentlich alsbald Corona-freies neues Jahr 2022.

Zum Schluss eine eindringliche Bitte: Bleiben Sie gesund und, falls noch nicht geschehen, lassen Sie sich bitte impfen.

Herzlichst

Ihnen Ihr
Karl-Christian Schelzke