Depesche

Nr. 1 2024

DEPESCHE
Notizen für kommunale Wahlbeamtinnen und -beamte
Kuratiert von Karl-Christian Schelzke
- „Mehr Rechte für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister!“
- Einige Anmerkungen zum ländlichen Raum im aktuellen Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD für die 21. Legislaturperiode in Hessen
- Gewalt gegenüber Amtsträgerinnen und Amtsträgern - Ein deutliches Urteil des Landgerichtes Marburg
- Teichunglück in Neukirchen-Seigertshausen - Ehemaliger Bürgermeister wurde freigesprochen
- Neujahrsgruß des VKWH

 

„Mehr Rechte für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister!“

Am 11. Dezember 2023 ist in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung an prominenter Stelle ein Artikel von Manfred Köhler mit der vielsagenden Überschrift „Mehr Rechte für Bürgermeister“ erschienen.

Wörtlich ist dort folgendes nachzulesen: „Wenn CDU und SPD im Hessischen Landtag zueinander finden, sollte es auch ein Bündnis sein, das sich den Kreisen, Städten und Gemeinden in besonderer Weise zuwendet. Das gilt nicht nur hinsichtlich der Ausstattung der Gemeindefinanzen, deren Unzulänglichkeit in den Kreis- und Rathäusern immer wieder beklagt wird. Wenn mit CDU und SPD zwei dort stark verankerte Parteien gemeinsam regieren, die beide Landräte und Bürgermeister in großer Zahl stellen, in denen also kommunalpolitischer Sachverstand in hohem Maße vorhanden ist, dann sollte dies auch Gelegenheit sein, die überfällige Reform der Hessischen Gemeindeordnung anzugehen.

Es geht namentlich um die 1992 eingeführte Direktwahl der Bürgermeister. Diese Reform ist seinerzeit auf halbem Wege steckengeblieben, weil die Amtsinhaber zwar einerseits durch diese Wahl in besonderer Weise legitimiert, andererseits aber mit nur wenigen Rechten ausgestattet sind. Die Direktwahl passt nicht zur weiterbestehenden Magistratsverfassung aus preußischer Zeit, bei der die Stadtregierung ein Kollegialorgan mit wenigen Rechten für das Stadtoberhaupt ist. Da man die Direktwahl kaum wieder abschaffen kann – ob sie wirklich ein Mehr an Demokratie gebracht hat, steht dahin –, kann der nächste Schritt nur darin liegen, die Bürgermeister mit solchen Kompetenzen auszustatten, die ihnen ein regelrechtes Regieren erlauben. Es böte sich an, über die Landesgrenzen zu schauen, etwa nach Baden-Württemberg.“

Soweit Manfred Köhler.

Warum nicht den ganz großen Wurf wagen? Nur noch in Bremerhaven (!) und in Hessen gilt die unechte Magistratsverfassung mit ihren zwei Entscheidungsgremien, dem Magistrat/Gemeindevorstand und der Stadtverordnetenversammlung/Gemeindevertretung.

In der der Depesche vom 6. Dezember 2021 wurde dieses Thema unter der Überschritt „Ist die nur noch in Hessen und in Bremerhaven geltende unechte Magistratsverfassung noch zeitgemäß?“ aufgegriffen.                                     

Nahfolgend sei dieser Artikel in Erinnerung gerufen: „Auch wenn hinsichtlich der hessischen Magistratsverfassung auf mehr als 210 Jahre zurückgeblickt werden kann, dürfte es nicht verkehrt oder gar verwerflich sein, in eine öffentliche Diskussion einzutreten, ob die in Hessen geltende, sogenannte unechte Magistratsverfassung noch zeitgemäß ist, will heißen, ob sie angesichts der in den kommunalen Entscheidungsgremien vermehrt vertretenen Fraktionen noch zeitnahe Entscheidungsprozesse ermöglicht.

Ulrich Dreßler, Leitender Ministerialrat im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport, hat sich in der Publikation der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung mit dem Titel „Die Spielregeln der Demokratie in den hessischen Gemeinden, 210 Jahre Magistratsverfassung“ intensiv und auch kenntnisreich mit der nur noch in Hessen und in Bremerhaven geltenden Magistratsverfassung befasst und sich als deren glühender Befürworter erwiesen. Die 20 Seiten umfassende Broschüre kann am einfachsten über Google: „Dreßler Blickpunkte Nr. 11“ abgerufen werden und sollte als Ausgangspunkt für eine Diskussion unbedingt genutzt werden.

Dies gilt insbesondere für seine etwas burschikose Feststellung auf Seite 17: „Kritiker der Magistratsverfassung, die über keine Detailkenntnisse und keine Praxiserfahrung verfügen, neigen daher leicht zu dem Schluss, die Magistratsverfassung sei schwerfällig und mit der Urwahl des Bürgermeisters kaum zu vereinbaren, weil die Erwartungen der Bürgerschaft an einen von ihr direkt gewählten Bürgermeister wegen dessen Machtlosigkeit zwangsläufig enttäuscht werden müssten.

Wer sonst, wenn nicht die kommunalen Wahlbeamten und –beamtinnen in Hessen verfügen über Detailkenntnisse und Praxiserfahrung. Von daher sollten sich diese auch entsprechend zu Wort melden.

Der Verband der Hessischen Kommunalen Wahlbeamten hat demgegenüber schon seit Jahrzehnten immer wieder auf die Vorzüge der baden-württembergischen Bürgermeisterverfassung hingewiesen und dies nicht erst seit Einführung der Direktwahlen der hessischen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister.“

Der VKWH hatte bereits in seinem Jubiläumsjahr 2022 die Zukunft der unechten Magistratsverfassung verbandsintern zur Diskussion gestellt und in der am 18. November 2022 in Wiesbaden stattgefundenen Jubiläumsveranstaltung hat der ehemalige hessische und nunmehr baden-württembergische Bürgermeister Marcus Schafft, beide Kommunalverfassungen in einem Vortrag kritisch beleuchtet (der Beitrag wird in der Jubiläumsschrift abgedruckt sein).

Wann sonst, wenn nicht jetzt sollte das Thema in die öffentliche politische Diskussion hineingetragen werden? Auch wenn sich in der CDU/SPD Koalitionsvereinbarung 2024 bis 2029 zu diesem Thema keine konkreten Aussagen finden lassen, so ist dies kein Hindernisgrund. Immerhin steht unter der Überschrift „Kommunalrecht“ (S. 160): „Wir werden die Attraktivität kommunaler Wahlämter steigern und dabei insbesondere die Aspekte der Versorgung und Besoldung, auch mit Blick auf weitere Amtszeiten, berücksichtigen.“

Diese Aussage dürfte auch auf die immer wieder vom VKWH erfolgten Hinweise zurückzuführen sein, wonach u.a. die derzeitigen Pensionsregelungen ein Hindernisgrund sind, sich für ein kommunales Wahlamt zu bewerben. Schön, dass wir zumindest in dieser Hinsicht einen Etappensieg errungen haben.

Der VKWH kümmert sich auch weiterhin engagiert. Wir werden die Fraktionsvorsitzenden der im Hessischen Landtag vertretenen Parteien zu entsprechenden Gesprächen einladen.

 

Einige Anmerkungen zum ländlichen Raum im aktuellen Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD für die 21. Legislaturperiode in Hessen

Die überwiegende Mehrheit der Mitglieder des VKWH üben ihr Amt im ländlichen Raum aus. Leider haben sich die Koalitionäre nicht für ein eigenes Ministerium für den ländlichen Raum entscheiden können. Stattdessen bleibe der ländliche Raum beim Zuschnitt der Ministerien lediglich ein Anhängsel, wie die designierte Ko-Versitzende der hessischen FDP Wibke Knell und Stefan Naas, anmerken. Unter der Überschrift von Kapitel 8 „Aus Leidenschaft für eine starke Landwirtschaft und ländliche Räume“ (S. 164 ff) sind folgende Ziele benannt:

Ländliche Räume (S. 124)

Wir wollen unsere Kulturlandschaft und Traditionen in allen hessischen Landesteilen weiterhin fördern. Unser Ziel ist es, dem gesetzlichen Anspruch der gleichwertigen Lebensverhältnisse nachzukommen. Dem Auseinanderdriften von städtischen Räumen und ländlichen Gebieten muss entgegengewirkt werden. Wir wollen politische Stabilität gewährleisten, indem wir allen Menschen, unabhängig davon, ob sie in der Stadt oder auf dem Land wohnen, eine Perspektive geben.

Wir wollen durch eine stärker aufeinander abgestimmte Planung in den Bereichen der Siedlungs-, Verkehrs- und Gewerbeentwicklung oder durch interkommunale Zusammenarbeit dezentrale Entwicklungspotenziale nutzen und attraktive Rahmenbedingungen für Unternehmensansiedlungen schaffen.

Wir wollen damit beginnen, Experimentierklauseln zu implementieren, die es Kommunen ermöglichen, auch ungewöhnliche Lösungswege zu erproben, die dann – bei positiven Erfahrungen – auch Grundlage für flächendeckende gesetzliche Regelungen sein können.

Wir wollen noch mehr Behörden dezentral in alle Teile des Landes verlagern bzw. ansiedeln, insbesondere auch in den ländlichen Raum. Diesen Weg setzen wir mit den Mitarbeitendenvertretungen fort. Wir sichern auf diese Weise bürgernahe Dienstleistungen flächendeckend in Hessen sowie Entwicklungsperspektiven für einzelne Regionen. Wohnortnahe Arbeitsplätze, so genannte Hessen-Büros, sollen eingerichtet und genutzt werden. Auf Basis der Erfahrungen in der Finanzverwaltung wird dieses Angebot schnell erreichbarer Hessen-Büros ausgeweitet.

 

Besondere Förderung für den ländlichen Raum (S. 124)

Unser Ziel ist es, dass möglichst viele Regionen Hessens zu „LEADER-Regionen“ der Europäischen Union werden und von den entsprechenden Fördermitteln profitieren können. Die Erarbeitung der LEADER-Aktionspläne auf regionaler Ebene wollen wir stärken, weil dies eine zielgenaue Förderung für die jeweiligen Bedürfnisse der Region sicherstellt. In diesem Zusammenhang werden wir auch das Regionalbudget verstetigen. Die Mittel für die bestehenden vielfältigen besonderen Förderprogramme für den ländlichen Raum sollen im Dialog mit den Akteuren vor Ort gestärkt, vereinfacht, entbürokratisiert und großteiliger aufgestellt werden.

Wir wollen auch weiter die EU-Kohäsionspolitik für unsere ländlichen Räume nutzbar machen und die Regionalentwicklung und die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse vorantreiben. Um den Abruf dieser Mittel zu erleichtern, werden wir weiterhin Förderlotsen als Ansprechpartner bereitstellen.

Das Programm „Dorfentwicklung“ ist wesentlich für moderne und zukunftsfeste Dörfer. Es bietet jährlich über 100 kleinen Dörfern und Ortsteilen Entwicklungsperspektiven durch finanzielle Zuschüsse. Dieses Programm werden wir finanziell auf aktuellem Niveau verstetigen und weiter private und öffentliche Maßnahmen fördern. Die Höchstgrenze der Förderung werden wir – gerade für geförderte Ortsteilverbünde – deutlich erhöhen.

Für alle kleinen Dörfer, die keinen Zugang zum Programm der Dorfentwicklung haben, werden wir weiterhin das Angebot der Dorfmoderation bereitstellen, um auch hier mit geringerem Mitteleinsatz oder durch Nutzung anderer Angebote eine Entwicklung voranbringen zu können.

Mit dem erfolgreichen Programm „Starkes Dorf – wir machen mit” werden niedrigschwellig und mit vergleichsweise kleinen Beträgen ehrenamtlich getragene Projekte in unseren Städten und Gemeinden umgesetzt. Deshalb werden wir es ausbauen.

Wir wollen ein Programm „DGH 2.0” (Dorfgemeinschaftshäuser 2.0) schaffen, mit dem wir Bürgerhäuser als Keimzelle der Dorfgemeinschaft etablieren und weiterentwickeln. Wir wollen sie – orientiert am Bedarf vor Ort – stärker auch für Zwecke der Daseinsvorsorge nutzbar machen, in denen multifunktionale Einrichtungen entstehen können. Auch Co-WorkingSpaces, dezentrale Bildungsorte, gewerbliche, kulturelle und soziale Treffpunkte, integrieren. Denkbar sind auch Nutzungen für Verkaufsläden, mobile Praxen oder Apotheken.“

Im Kapitel „Kommunalfinanzen“ (S. 168) heißt es: „Wir werden die Kommunalisierungsvereinbarung zwischen Land und Kommunen evaluieren mit dem Ziel, unter anderem die Ämter für den ländlichen Raum zu stärken.“

Ein besonderes, noch zu lösendes Problem stellt sich: Es ist jedoch nicht klar, wo und von wem diese ambitionierten Ziele angegangen werden sollen. Künftig wird es ein von der CDU geführtes Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt, Weinbau, Forsten, Jagd und Heimat sowie ein SPD-geführtes Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlicher Raum geben. Was ressortiert nun unter „Heimat“ und was unter „ländlicher Raum“? Die Gefahr der Doppelverantwortungen und der damit verbundenen Kooperations- sowie Koordinationsprobleme scheinen damit vorprogrammiert zu sein. Die ländlichen Räume gehören mit einer eigenen Stimme an den Kabinettstisch. 2019 hatte die SPD für den Fall der Regierungsübernahme die Einrichtung einer Landesbeauftragten für den ländlichen Raum vorgesehen. In einer solchen Position könnte eine Interessen- und Aufgabenbündelung und damit eine verschleißfreie Koordination eher gewährleistet werden. 

 

Gewalt gegenüber Amtsträgerinnen und Amtsträgern - Ein deutliches Urteil des Landgerichtes Marburg

In der zuletzt erschienenen Depesche haben wir unter dem Titel „Hass, Hetze und Gewalt gegenüber Amtsträgerinnen und Amtsträgern“ auf die besondere Bedeutung der Strafverfolgung von Beleidigungen, Bedrohungen, Hass und Gewalt gegen kommunale Amts- und Mandatsträgerinnen und Mandatsträger hingewiesen. Es ist erfreulich, dass im aktuellen hessischen Koalitionsvertrag von CDU und SPD zu diesem überaus wichtigen Thema folgende Aussagen aufgenommen sind: „Gewalt im politischen Raum – gegen Amtsträgerinnen und Amtsträger und Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker – ist nicht hinnehmbar. Daher entwickeln wir das polizeiliche Gefährdungslagenmanagement konsequent weiter. … Wir setzen uns für mehr Sicherheit und einen besseren Schutz für diejenigen ein, die sich für unseren Staat engagieren. Menschen, die sich für unseren Staat engagieren und ein öffentliches Amt bekleiden, verdienen besonderen Schutz. Wir streben an, dass die Mindestfreiheitsstrafe für Angriffe auf Einsatzkräfte auf sechs Monate erhöht und damit die Möglichkeit der Verhängung einer Geldstrafe ausgeschlossen wird. Bei Angriffen aus einem „Hinterhalt” oder besonderen Folgen sollte die Mindeststrafe bei einem Jahr liegen. Angriffe auf die politisch gewählten Vertreterinnen und Vertreter unserer Gesellschaft sind nicht akzeptabel. Wer sich ehren- oder hauptamtlich für unsere Gesellschaft und unseren Staat engagiert, verdient unseren besonderen Schutz. Deswegen werden wir das Thema „Hass und Hetze gegen Kommunalpolitiker und -politikerinnen“ stärker in den Mittelpunkt der Präventionsarbeit stellen.“

In diesem Zusammenhang kann erfreulicherweise berichtet werden, dass vor wenigen Wochen ein nicht vorbestrafter Betreiber von Spielhallen und Wettbüros von der großen Strafkammer des Landgerichtes Marburg zu einer Einzelhaftstrafe von 4 Jahren verurteilt wurde. Er hatte zwei Männer gegen eine Geldzahlung von mindestens zweitausend Euro angestiftet, einen Mitarbeiter eines städtischen Ordnungsamtes niederzuschlagen. Das Opfer erlitt erhebliche Verletzungen, die auch bleibende Schäden zur Folge haben. Hintergrund waren Maßnahmen, die im Rahmen der Corona-Maßnahmen vom Opfer getroffen wurden und den wirtschaftlichen Interessen des Anstifters zuwiderliefen. Der städtische Mitarbeiter wurde als Nebenkläger vom Geschäftsführer des VKWH anwaltlich vertreten.

Teichunglück in Neukirchen-Seigertshausen - Ehemaliger Bürgermeister wurde freigesprochen

Der ehemalige Bürgermeister von Neukirchen, Klemens Olbrich, wurde Ende November 2023 vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung rechtskräftig freigesprochen. Zuvor hatte ihn das Amtsgericht Schwalmstadt in erster Instanz und das Landgericht Marburg in der Berufungsinstanz schuldig gesprochen.

Ihm wurde vorgeworfen, an einem im Ortsteil Seigertshausen gelegenen Teich keine Sicherungsmaßnahmen veranlasst zu haben, infolgedessen seien dort drei Kinder ertrunken. Das Gericht weist in seiner Urteilbegründung unter anderem darauf hin, dass nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellbar sei, „dass die gebotenen Schilder und ein niedriger Zaun den Tod der Kinder verhindert hätten. Dieser hohe Maßstab werde aber vom BGH in Strafsachen zugrunde gelegt. Allein eine Verminderung der Gefahren bzw. eine Risikominimierung begründe nicht den Vorwurf der fahrlässigen Tötung. Da keine ergänzenden Feststellungen zur Kausalität durch das Landgericht möglich erscheinen, sei das Verfahren auch nicht an das Landgericht zurückzuverweisen, sondern der Angeklagte unmittelbar freizusprechen."

Der Geschäftsführer des VKWH hat seinerzeit Bürgermeister Olbrich anwaltlich vertreten und in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft Marburg, mit dem eine Einstellung des Verfahrens beantragt wurde, ausgeführt: „Es dürfte zumindest fraglich sein, ob ein 1,25 Meter hoher Zaun die zu Tode gekommenen Kinder davon abgehalten hätte, zu versuchen, den im Wasser liegenden Kescher zu bergen.“

Die zuständige Oberstaatsanwältin war im Gegensatz zum Oberlandesgericht anderer Auffassung und hatte Anklage erhoben.

In diesem Zusammenhang sei auch auf Folgendes hingewiesen: Die Frage nach Verantwortlichen, die für ein schweres Unglück Schuld tragen, ist verständlich und wir alle kennen solche Gedanken aus eigenem Erleben, auch wenn wir vielleicht ahnen, dass es sich um ein Geschehen handelt, das sich menschlicher Verantwortung entzieht.

Die Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago, Martha Nussbaum, Preisträgerin des renommierten Berggruen-Preises, weist in ihrem Buch „Königreich der Angst“ auf folgende menschliche Verhaltensweisen hin: „Wir nehmen Schuldzuweisungen vor, auch wenn keine Schuld vorliegt. … Zu denken, an jedem schlimmen Ereignis sei irgendjemand schuld, … befriedigt unser Ego … Hierdurch ergibt sich ein Gefühl von Kontrolle statt Hilflosigkeit.“

Das jetzige Urteil dürfte vor allem für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister nicht nur eine Entastung sein. Das Urteil bedeutet auch, dass viele traditionell offene Gewässer nicht zwangsweise einzuzäunen sind.

 

Liebe Kommunale Wahlbeamtinnen und Wahlbeamte!

Der Vorstand des Verbandes der kommunalen Wahlbeamten in Hessen wünscht Ihnen ein erfolgreiches Neues Jahr 2024. Dies gilt insbesondere für Gesundheit und Freude sowie Genugtuung bei der Wahrnehmung der für unsere Demokratie so wichtigen Aufgaben. Der VKWH wird im neuen Jahr auch weiterhin mit Engagement, Beharrlichkeit und Augenmaß sich den Herausforderungen stellen, insbesondere gegenüber der neuen Landesregierung und dem Landtag.